Nachts unterm Sternenzelt


Draußen ist frischer Schnee gefallen. Lang ersehnt, denn die letzten Winter waren eher Grün. Das Thermometer zeigt angenehme -7°C Wohlfühltemperatur, ein Blick zum Himmel verrät: es ist Halbmond und er versucht sich mit aller Kraft eine Lücke durch die dicke Wolkendecke freizuschieben. Also nix wie raus, es kribbelt schon lange in den Fingern. Endlich mal wieder Bilder mit frischem Schnee im Elbsandstein machen. Das Ziel des Abends ist schnell gefunden - der Gamrigfelsen bei Rathen soll es werden. Nach 20 Minuten Autofahrt folgt ein kurzer, knackiger Aufstieg durch frisch verzuckerte Wälder und über vereiste Stufen. Alles ist unberührt - ich bin der Erste, der hier eine Spur nach oben zieht, ein tolles Gefühl...

 

Oben angekommen liegt die "Blaue Stunde" in ihren letzten Zügen, schnell wird es dunkel. Zügig wird die Kamera auf das Stativ geschraubt und alle Einstellungen für die Nachtfotografie werden manuell festgelegt. Vom Himmel leuchtet der Halbmond auf die verschneite Landschaft, der weiße Schnee reflektiert das Licht so stark dass selbst bei völliger Dunkelheit keine sehr hohen ISO-Werte nötig und bereits Belichtungszeiten unter 10 Sekunden ausreichend sind. Ich genieße diese unglaublich schöne Stille auf dem Berg, fotografiere und halte immer wieder inne. Dass mir an diesem Abend auch eins meiner absoluten Lieblings-Winterbilder gelingt, das zu einem späteren Zeitpunkt sogar mal einen Wettbewerb gewinnen soll interessiert mich momentan herzlich wenig. Es geht wie so oft einfach nur darum den Moment zu genießen. Und dies kann ich an diesem Abend in vollen Zügen, über zwei Stunden lang stehe ich alleine auf dem Berg. Zum Schluss sehe ich mir einfach nur den schönen Sternenhimmel an...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es klart auf und verspricht eine tolle Nacht zu werden. Die Kälte ist nach den ersten Eindrücken schnell vergessen.

 

 

 

 

Kurz bevor die Nacht die Oberhand gewinnt gibt es noch ein schönes Himmelsleuchten. In Waltersdorf gehen so langsam die ersten Lichter an und einige Fahrzeuge ziehen Leuchtspuren über die Straßen.

Ein Bild das noch lange in Erinnerung bleibt. Der Halbmond bringt ordentlich Licht auf die verzuckerte Landschaft, am Himmel blitzen ein paar Sterne durch die Wolken. Waltersdorf liegt wie ein verzaubertes Weihnachtsdorf im Tal, links über dem Polenztal leuchtet die Brandbaude. Eine Stimmung wie man sie sich nicht schöner hätte ausmalen können. Die Sächsische Zeitung prämierte dieses Foto beim Winterfotowettbewerb im Februar 2017 mit dem ersten Platz womit auch bei mir diese wunderschöne Winternacht nochmal zum Leben erweckt wurde.

Nachts sind alle Wege schwarz

Es gibt kaum eine intensivere Erfahrung in der Landschaftsfotografie, als Nachts draußen zu sein. Wenn man auf einen tief Schwarzen Wald zuläuft dann beginnt es schon zu rumoren im Kopf... Was wenn Dir jetzt mitten im Busch eine Herde aufgeschreckter Wildschweine begegnet? Der Puls ist ohne Frage deutlich erhöht, der Adrenalinspiegel vermutlich auch. Dennoch ist die Anziehungskraft des Zieles immer ein Stückchen größer als die Angst vor Wildschweinen und der Respekt vor nächtlichen Begegnungen. So oft es geht, unternehme ich diese Touren daher zusammen mit meinem Vater - ob es im schlimmsten Fall gegen die Wildschweine hilft bleibt fraglich, aber es beruhigt ein wenig.  Zu zweit hat man sich auch immer was zu erzählen und wird so mit Sicherheit auch eher von den Tieren wahrgenommen. Das Licht der Stirnlampe leuchtet uns den Weg, ein schmaler Lichttunnel dem die Augen folgen. Dreht man mal den Kopf in die Richtung abseits der Wege kommt es durchaus auch mal vor, dass einen da zwei Augen anleuchten die in den häufigsten Fällen aber zum Glück einem eher scheuen Fuchs gehören.

Vollmondaufgang über dem Polenztalwächter im Polenztal. Lange stand dieses Motiv auf der Wunschliste. Es musste alles zusammen passen, das Wetter und der Vollmond der im Oktober genau an dieser Stelle zwischen den Felsen hindurchkam. Eine sehr mystische Stimmung. Im Tal ist es stockdunkel, nur das Rauschen der Polenz ist zu vernehmen. Etwas Licht ins Dunkel bringt nur die lange Belichtungszeit der Kamera.

Ein interessantes Programm, das bei der Planung solcher Touren hilft ist "Mondverlauf.de". Hier kann man genau sehen wann der Mond aufgeht und wie lange er einen in der Nacht begleiten wird. Ein wirklich hilfreiches Tool, denn will man mal nur Sterne fotografieren könnte das Licht des Mondes auch durchaus störend sein. Ein ähnliches Programm gibt es übrigens auch für den Sonnenverlauf, sowie für den Verlauf der Milchstraße.


Links: Polenztal im Licht des Vollmondes. Beim Einstellen der Kamera ist alles pechschwarz, per Hand wird manuell am Fokusring des Objektivs fokussiert. Die Blende wird soweit wie möglich geöffnet (in diesem Fall f/2.8), die Empfindlichkeit wird auf 1600 hochgeschraubt und die Belichtungszeit auf ca. 15 Sekunden festgelegt. Dann heißt es warten... Das Ergebnis ist verblüffend, während den 15 Sekunden konnte so viel Licht auf den Sensor fallen dass nun alles Taghell erscheint. Fast wirkt es so als würde die Sonne ins Tal leuchten, doch gleichzeitig strahlen die Sterne. Eine ziemlich surreale Erfahrung, sieht man doch selbst die Hand vor Augen fast nicht.

Rechts: Nach der Tour durchs Tal toben wir uns oben auf der Ziegenrückenstraße noch ein wenig aus, mein Vater steht an seiner Kamera. Auf der Straße radeln zwei mutige Ausflügler durch die finstere Nacht in Richtung Hohnstein.

Lichtspielereien mit der Stirnlampe auf dem Lilienstein. In den Sommermonaten muss der Aufstieg schon sehr zeitig bewältigt werden, will man oben auf dem Gipfel "noch was mit Sternen machen" bevor die Dämmerung eintritt. Dann heißt es mitunter schon gegen 2 Uhr zu Hause die gemütlichen Federn zu verlassen...

Bis die Technik gefriert

Mal wieder ist es so eine sternenklare Winternacht. Die Temperaturen rutschen weit in den zweistelligen Minusbereich. -16°C zeigt das Thermometer im Auto an als ich zu Hause einsteige. Schnell noch den Vater abgeholt und los geht es.

Immer wieder fragt mich das kleine Teufelchen auf der Schulter - "was macht ihr Deppen hier eigentlich?"...

Keine Ahnung warum, aber besonders extreme Wetterlagen ziehen mich oft ins Freie. Irgendwie muss das manchmal einfach sein!

In dieser Nacht suchen wir ein Motiv mit klaren Strukturen, je weniger desto besser. Das Hauptaugenmerk soll ja auch auf dem Sternenhimmel liegen. Fündig werden wir bei Ehrenberg nahe Hohnstein, hier stehen ein paar Solitärbäume recht fotogen auf dem Feld. Mehr braucht es manchmal gar nicht. Die Luft beißt schon ordentlich in den Gliedern, ohne mehrere Lagen Socken und Pullover wäre es wohl kaum länger auszuhalten. Durch die Niederungen der Felder streifen sanfte Nebel und schnell wird klar:  auch die Technik wird diese extremen Bedingungen nicht lange mitmachen, bereits nach einer halben Stunde bildet sich erster Reif auf Kameras und Linsen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch heute lässt sich die Kälte für ein paar Momente vergessen, so lange man nicht zu lange an einem Ort verweilt und in Bewegung bleibt.

Über dem Baum leuchtet das Sternbild des Orion. Die ISO Empfindlichkeit lag hier bei 1600, die Blende wurde mit 2.8 komplett geöffnet und die Belichtungszeit betrug zehn Sekunden.

Dieses kleine Bäumchen auf einem Hügel bei Ehrenberg ist zu jeder Jahrezeit ein Motiv, mein Vater nutzte die Gunst der Stunde und platzierte sich als Sternenwanderer auf der kleinen Bank. Man erkennt es schon leicht an den Bildrändern - auf der Linse hat sich Reif gebildet, dieser sorgt nun für ein natürliches "Bokéh". Als diese Aufnahme im Kasten ist geht nichts mehr, Kameras und Linsen frieren komplett ein. Nach 1,5h auf den Feldern unter freiem Sternenhimmel ist Schluss...

Das letzte Bild dieses Beitrags hat mein Vater gemacht. Es zeigt mich völlig vertieft mit meiner Kamera am Wunschmotiv. Foto: Jürgen Vogel

 

Allen Lesern die sich auch für die Fotografie, vielleicht auch die Sternenfotografie interessieren kann ich so eine Nachttour nur ans Herz legen. Die Erfahrungen und Eindrücke die man sammelt sind unbezahlbar. Da man in der Finsternis auf eine manuelle Bedienung der Kamera angewiesen ist, lernt man auch sehr viel im Verständnis der Technik hinzu.

 

 

 

Jens Vogel, Februar 2017.